Bewerber unter Druck
Die sechs fiesesten Fragen im Vorstellungsgespräch
Artikel erschienen am Samstag, 06.09.2014, 18:14 auf Focus Online
Der Bewerber hat sich gut vorbereitet. Doch dann das: Mit völlig unerwarteten Fragen bringt ihn der Personalchef völlig aus dem Konzept. Welche fiesen Fragen im Vorstellungsgespräch kommen können – und wie man sie meistert.
Es ist ein ständiger Wettbewerb: Bewerber bereiten sich akribisch auf das persönliche Interview bei einem Unternehmen vor und studieren alle gängigen Interviewfragen. Personaler möchten aber hinter die Maske des Bewerbers schauen, ihn mit ungewöhnlichen und überraschenden Fragen provozieren umso die Wahrheit über den Bewerber zu erfahren.
Nicht selten versuchen Personaler mit kritischen, herausfordernden und überraschenden Fragen den Bewerber aus der Reserve zu locken und so das wahre „Ich“ kennenzulernen. Mit den richtigen Fragen entlockt der Interviewer dem Kandidaten Antworten, die ihm viel über die Ziele, Vorstellungen, Werte, Motive und Motivation sowie die Persönlichkeit des Bewerbers verraten. Vor allem versucht aber der geschulte Interviewer zu erkunden, ob das Profil des Bewerbers sowohl Inhaltlich (also fachlich) als auch auf Ebene der Persönlichkeit (Soft Skills) zum Unternehmen passt und ob der Bewerber für die zu besetzende Stelle geeignet ist.
Einige der fiesesten Fragen, ihren Hintergrund und Ziel stellen wir Ihnen hier vor. In jedem Fall gilt: Es gibt nicht die perfekte Antwort, sondern nur die einzige, authentische Antwort, die zu Ihnen passt. Lernen Sie auf keinen Fall die Antworten auswendig, denn Sie tun sich letztlich selbst keinen Gefallen: Stellen Sie sich vor, Sie bekommen den Job aufgrund Ihrer gelernten Antworten, aber der Job passt nicht zu Ihnen! Die Konsequenz wird sein, dass Sie früher oder später das Unternehmen wieder verlassen werden – aus freien Stücken, weil Ihnen der Job keinen Spaß macht oder Sie überfordert.
Die richtige Vorbereitung führt nur über das Lesen einer Vielzahl von Interviewfragen und das anschließende persönliche Auseinandersetzen mit den Fragen – so finden Sie von ganz alleine die zu Ihnen passenden Antworten.
Frage 1: Welche drei Soft Skills fehlen Ihnen?
Normalerweise geht die Frage so: „Was sind Ihre Stärken und Schwächen?“ Hier sollten Sie sich darauf vorbereiten, drei Stärken und drei Schwächen, die nicht miteinander korrelieren, nennen zu können und diese durch Ihre Tätigkeiten und Aufgaben, die sich aus Ihrem Lebenslauf ergeben, begründen.
In diesem Fall geht es um Fremd- und Eigenwahrnehmung, Selbsteinschätzung und den Umgang mit kritischen Fragen – all das und mehr kommt hier zum Tragen und wird getestet. Wo Sie die „übliche“ Frage nach Ihren persönlichen Stärken und Schwächen erwarten, kommt nun diese! Keiner mag Schwächen zugeben, aber der konstruktive Weg ist hier die Lösung: Sind Sie beispielsweise schwach in einer Fremdsprache, dann sprechen Sie das an und erwähnen Sie, dass a) Ihnen das bewusst ist und daran arbeiten wollen und b) fragen Sie gleich Ihren Gegenüber, ob das Unternehmen hierfür Fortbildungsmaßnahmen anbietet und Ihre Mitarbeiter unterstützt. So erwähnen Sie eine Schwäche, die Sie mit Engagement und möglicherweise mit Hilfe des Unternehmens (Teamgeist) in eine Stärke wandeln können.
Frage 2: Wenn Sie unser Unternehmen wieder verlassen – was soll von Ihnen in Erinnerung bleiben?
Sie arbeiten noch nicht mal für das Unternehmen und sollen schon wieder gehen? Auf diese Frage ist in der Regel kein Bewerber vorbereitet. Ziel ist es zu sehen, wie Sie mit einer Frage, die Sie aus dem Konzept bringt umgehen und darauf spontan reagieren. Darüber hinaus zeigt die Frage, wie Sie sich die Zukunft bei dem Unternehmen vorstellen und ob Sie eher einen Job suchen, der Sie „nur“ versorgt oder eher etwas mit Perspektive und Entwicklungsmöglichkeiten.
Bleiben Sie authentisch und erklären Sie dem Interviewpartner, was für kurz- und langfristigen Ziele Sie sich während der Zeit, in der Sie für das Unternehmen arbeiten, setzen und dass Sie sich an diesen messen lassen wollen, sollten Sie das Unternehmen wieder verlassen.
Frage 3: Wann haben Sie das letzte Mal eine direkte Order eines Vorgesetzten missachtet und warum?
Hier kommt es auf eine authentische und ehrliche Antwort an, denn wer hat nicht schon mal gegen irgendwelche Regeln oder Vorgaben eines Vorgesetzten (oder des Unternehmens) verstoßen.
Wichtig ist also, wie Sie das Missachten der Regeln begründen und zeigen, ob Sie situativ und mit Bedacht Regeln zum Wohl des Unternehmens und/oder des Teams brechen oder ob Sie dies notorisch und aufsätzig wider jeder Vernunft tun.
Ihre Reaktion und Begründung zeigt dem erfahrenen Interviewer, mit wem er es zu tun hat, denn von Führungspersönlichkeit und Teamplayer bis Nörgler, Egomane oder Besserwisser können alle Bewerbertypen dabei sein.
Sollten Sie beispielsweise einmal einen Berichtsweg nicht eingehalten haben und Ihren direkten Vorgesetzten übergangen haben, indem Sie sich an die nächst höhere Stelle gewendet haben, so können Sie dies mit der Dringlichkeit der Sache, der Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung sowie der in diesem Moment herrschenden Unerreichbarkeit des direkten Vorgesetzten begründen.
Frage 4: Schätzen Sie sich eher als Leader oder Mitläufer ein?
Wer möchte nicht als Leader wahrgenommen werden? Aber das weiß auch der Interviewer. Eine Begründung über die Stärken (und Schwächen), wieso Sie sich selbst als Leader interpretieren, muss gut überlegt sein, denn Ihr ganzes Auftreten während des Interviews wird unter anderem hieran gemessen. Diese Frage lässt sich sehr gut anhand von beruflichen Beispielen aus Ihren vorangegangenen Jobs exemplarisch beantworten. Ein einfaches Beispiel dafür wäre, dass Sie bereits in der Vergangenheiten ein Team geleitet haben und sich der Umsatz des Teams anschließend gesteigert hat, das heißt, Sie begründen Ihren Anspruch, ein Leader zu sein anhand vergangener Erfolge. Bedenken Sie aber auch, dass „Mitläufer“, die zwangsweise auch Teamplayer sein müssen, durchaus ihre Qualitäten haben.
Indirekt ist diese Frage aber auch eine Frage nach Ihren Stärken und Schwächen (Soft Skills), auf die Sie sich auf jeden Fall vorbereiten müssen.
Frage 5: Was halten Sie von mir als Interviewpartner?
Tja, wenn das mal keine unerwartete und heikle Frage ist! Hier müssen Sie mit Charme antworten und auf gar keinen Fall auf die Frage eingehen, denn Sie können nur verlieren, sollten Sie sich dazu verleiten lassen, über Ihr Gegenüber zur urteilen (im positiven wie auch im negativen).
Egal wie nett und vertrauenswürdig ihr Gesprächspartner ist, wenn er diese Frage stellt, weiß er in der Regel was er tut. Erfahrene Bewerber würden diese Frage sofort als das entlarven, was Sie ist: eine Fangfrage. Und vor allem: Sie sprechen es auch offen und direkt an.
Hier sollten Sie also im guten Stil und mit Charme eines Vertriebsprofis direkt antworten: „Das klingt ja beinahe wie eine Fangfrage.“ Oder: „Sie wollen mich sicherlich mit dieser Frage in die Irre führen, aber vielleicht können wir uns noch mal über den Punkt XY unterhalten, denn dazu habe ich noch folgende Fragen…“.
Was passiert hier? Zunächst gehen Sie auf die Frage ein und sprechen die Schwierigkeit direkt an, dann lenken Sie die Aufmerksamkeit souverän auf ein neues Thema und stellen spontan inhaltlich wertige Fragen zu diesem Thema, denn Sie wissen um eine Regel: Wer fragt, der führt. Und an dieser Stelle sollten Sie das Gespräch übernehmen und führen.
Frage 6: Woran machen Sie fest, dass Sie einen guten Job machen?
Die Frage zielt darauf ab, in welcher Abhängigkeit sich der Bewerber von Beurteilungen macht: Stützt er seine Aussage auf seinen eigenen Eindruck (Stichwort Eigenwahrnehmung), den Eindruck Dritter (zum Beispiel seiner Kollegen, Vorgesetzten, Auftraggeber etc. – Stichwort Fremdwahrnehmung) oder auf beides.
Die Antwort gibt dem Interviewpartner Hinweise auf das Verhältnis von Fremd- und Eigenwahrnehmung des Bewerbers sowie seine Teamfähigkeit und Führungsqualitäten. Spricht er nur von sich, kann das auf einen starken Charakter mit eingeschränkter Teamfähigkeit hindeuten. Jemand, der nur Dritte für sich sprechen lässt, dem spricht man möglicherweise weniger Entscheidungskompetenz zu.